Sönke Kahler segelte auf der »Diva« um den Admiral’s Cup 1985
Segelweltmeister Sönke Kahler ist nach Büsum zurückgekehrt. Er verteidigte mit den deutschen Hochseeseglern den Admiral’s Cup, die begehrteste Segeltrophäe der Welt, vor Südengland erfolgreich.
Zum drittenmal nach 1973 und 1983 gewann Deutschland mit den Jachten »Outsider« (Eigner Tilmar Hansen, Kiel), »Rubin VII« (Hans-Otto Schümann, Hamburg) und »Diva« (Peter Westphal-Langeloh, Lübeck) die inoffizielle Mannschafts-Weltmeisterschaft vor Rekordgewinner Großbritannien und Neuseeland.
Lebhaft und mit bewegten Worten schilderte Sönke Kahler, der Crew-Mitglied der größten deutschen Jacht, der »Diva«, war, die Erlebnisse bei den Regatten um den Admiral’s Cup (AC). Den Höhepunkt des Spitzenereignisses im Hoch-seesegelsport bildete erneut das abschließende über 605 Seemeilen führende »Fastnet Race«.
Bei bis zu 10 Windstärken wurden die Segler an die Grenzen der physischen und psychischen Leistungsgrenze geführt. Die »Diva« erreichte um 2.11 Uhr als zweite Jacht der AC-Flotte nach knapp 80 Stunden härtestem Regattasport den Zielort Piymouth. Ein roter Teppich war ausgerollt, und eine Jazzband spielte bei strömendem Regen, als die stoppelbärtigen, aber glücksstrahlenden deutschen Admiral’s-Cup-Gewinner nach fast vier Tagen im Hafen wieder festen Boden unter den Füßen hatten.
Probleme gab es für die »Diva« schon beim ersten Inshore Race, das über 26 Seemeilen führte. Beim Start riß die Genua. So mußte die »Diva« das gesamte Feld von hinten aufrollen und kam zwar als vierte Jacht ins Ziel, belegte aber nach berechneter Zeit nur den 19. Platz. Die zweite Regatta, die ebenfalls auf dem Solent gesegelt wurde, wurde bei wechselnden Winden zu einem Glücks- spiel. Hier waren erneut die kleinen Eintonner begünstigt, und die »Diva« placierte sich nur als 16. Schiff.
Zur ersten großen Bewährungsprobe wurde das »Chanel Race«. Gute acht Windstärken ließen bei der »Diva« 15 Minuten nach dem Start das Großsegel reißen. Eine dreiviertel Stunde wurde beim Wechsel des Segels verloren. Ein Crew-Mitglied mußte bei 7 bis 8 Windstärken sogar in den Mast klettern, um einen Rutscher zu lösen, der in ungefähr acht Meter Höhe klemmte. Nach der Ausfahrt aus dem Solent rollten den Jachten haushohe Wellen entgegen, die die deutsche, für Österreich startende Jacht »i-Punkt« zum Kentern brachten. Nach all diesen Widrigkeilen war die Besatzung der »Diva« froh, den 27. Platz ersegelt zu haben.
Die vierte Regatta verlief für die deutschen Boote durchschnittlich und dennoch hatte man nach diesem 30-Meilen-Dreieckskurs in der Gesamtwertung bereits 75 Punkte Vorsprung vor dem großen Favoriten Großbritannien. So durfte man nach drei Ruhetagen beruhigt in das abschließende »Fastnet Race« gehen, das schon 1979 für traurige Schlagzeilen sorgte, als damals bei orkanartigem Wind 12 Segler den Tod fanden.
Am Start ahnte keiner der Beteiligten und Verantwortlichen, daß auch in diesem Jahr diese Regatta beinahe zu einer Katastrophe geworden wäre. Bei sechs bis sieben Windstärken erfolgte am Sonnabend um 18.20 Uhr vor Cowes der Start. Zunächst mußte eine 170 Meilen lange Kreuz gesegelt werden. Am Sonntagnachmittag erwartete die Flotte in der Bucht von Plymouth härteste Wetteriagen mit über 10 Windstärken. Von den 54 AC-Booten gaben 24 aus den verschiedensten Gründen auf. Die »Diva« segelte unter Sturmfock und den drei Reffs im Großsegel. Da brach der hydraulische Baumniederholer. Drei Liter Hydrauliköl verteilten sich im Schiffsinneren und vernichteten einen Großteil der Verpflegung. Um den Baumniederholer zu ersetzen, wurde eine Taille geschoren und diese über eine Genuawinsch gelegt. Durch diese hohe Belastung riß die Winsch aus dem Deck und hinterließ ein ungefähr 30 bis 40 cm großes Loch, durch das Wasser eindrang. Dieses Leck wurde mit Bordmittel provisorisch abgedichtet. Weitere Überbeanspruchungen des Materials verursachten kleinere Löcher an Deck. Im Bugbereich riß ein Seil, was zur Folge hatte, daß die Bordwand im Vorschiff bei jedem größeren Wellenschlagsich 10 bis 15 Zentimeter bewegte.
Das Wissen darüber, daß keine deutliche Wetterbesserung abzusehen war und noch über 400 Seemeilen vor der »Diva« lagen, führte die Crew an eine psychische und physische Zerreißprobe. Alle Segler, ihre Kojen, die Schlafsäcke und das Ersatzzeug waren durchnäßt. Es bestand keine Möglichkeit zum Kleidungswechsel, und während der gesamten Regatta konnte die Crew keine warme Mahlzeit zu sich nehmen. Die Zehn-Mann-Besatzung teilte sich in zwei Wachen; dennoch war an Schlaf kaum zu denken. Man war über jede kleinere Ruhepause froh, so Sönke Kahler, dem die Strapazen des »Fastnet-Race« noch drei Tage nach dem Zieldurchgang anzumerken waren.
Am Montag um 20.07 Uhr umrundete die »Diva« den Fastnet-Rock in der Irischen See als drittes Schiff der AC-Flotte. Die Deutschen wußten, daß sie gut im Rennen lagen, obwohl Ungewißheit über den Verbleib des besten britischen Schiffes, der »Jade«, bestand. Später stellte sich heraus, daß die »Jade« am Montagnachmittag mit Mastbruch hatte aufgeben müssen. So wurde der dritte AC-Gewinn der Deutschen zu einem triumphalen Sieg. Selbst wenn die »Jade« das »Fastnet-Race« gewonnen hätte, wäre der »Outsider«, der »Rubin VII« und der »Diva« der Erfolg nicht mehr zu nehmen gewesen. Damit ist Deutschland das zweiterfolgreichste Team in der Geschichte des AC nach Großbritannien.
Jörg Hollmann